ifo Standpunkt Nr. 15: Nie mehr als 20 %

Autor/en
Hans-Werner Sinn
München, 29.09.2000

Im Jahr 2035 sind die Deutschen das älteste Volk dieser Erde. Zehn Deutsche haben im Lauf ihres Lebens nicht einmal 7 Kinder, und die Lebenserwartung nimmt alle acht Jahre um ein Jahr zu. Doppelt so viele Alte werden den Jungen gegenüberstehen wie heute. Für die Rentenversicherung bahnt sich eine fundamentale Krise an (vgl. Standpunkt Nr. 4).

In der Politik hat sich ein breiter Konsens herausgebildet, dass die Rentenansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung reduziert und durch eine selbst angesparte, kapitalgedeckte Rente ergänzt werden sollten. Kein Konsens herrscht darüber, wie die Renten gekürzt werden sollen und wer in welchem Umfang sparen soll.

Verantwortlich für die Rentenkrise sind die geburtenschwachen Jahrgänge ab etwa 1955. Sie haben im Durchschnitt zu wenig Kinder erzogen, um die Stabilität umlagefinanzierter Renten garantieren zu können. Deshalb spricht wenig dagegen, dass sie die Folgen ihrer Entscheidungen in Gestalt eines sinkenden Rentenniveaus selbst tragen. Das bei der Kindererziehung eingesparte Geld sollten diese Generationen auf dem Kapitalmarkt anlegen, um auf diesem Wege für ihr Alter vorzusorgen. Im Hinblick auf die Gesamtbelastung jeder Generation durch das Rentensystem und die Kindererziehung ist das nicht nur zumutbar, sondern auch fair.

Wie die vom ifo Institut berechneten Generationenbilanzen zeigen (ifo Schnelldienst Nr. 18/2000), wird die Gesamtbelastung aller Generationen durch Netto-Rentenlasten und Kindererziehungskosten am stärksten geglättet, wenn der jetzige Rentenbeitrag eingefroren wird und die demographischen Verwerfungen der Zukunft vollständig durch entsprechende Rentenkürzungen abgefangen werden. Die Generationen, die die Rentenkürzungen zu verantworten haben und die zugleich von ihnen betroffen sind, haben jetzt noch die Zeit, ihren Alterskonsum durch private Ersparnis zu kompensieren. Der Rentenbeitrag sollte deshalb niemals mehr als 20% betragen. Demgegenüber ist eine untere Schranke für die Nettorenten abzulehnen, weil sie die geburtenschwachen Jahrgänge über Gebühr begünstigen würde.

Bei allem können die Menschen freilich nicht unabhängig von ihrer Kinderzahl über einen Kamm geschoren werden. Denn gemäß der Zahl ihrer Kinder unterscheidet sich einerseits der Beitrag, den sie für die Sicherung der zukünftigen Renten in Wirklichkeit leisten, und andererseits der finanzielle Spielraum, der ihnen für eine ergänzende Vorsorge durch Ersparnisse verbleibt. Deshalb sollte sowohl das Maß der Rentenkürzung, die durch die Fixierung des Beitragssatzes in Zukunft nötig wird, als auch die zumutbare Pflichtersparnis im Rahmen eines kapitalgedeckten Systems nach der Kinderzahl gestaffelt werden.

Hans-Werner Sinn
Präsident des ifo Institut

Publikation:
Sinn, Hans-Werner und Martin Werding,
"Rentenniveausenkung und Teilkapitaldeckung - ifo Empfehlungen zur Konsolidierung des Umlageverfahrens", ifo Schnelldienst 53 (18), 2000, 12–25.