„Es gab diese Preissteigerungen nicht“: Die Wahrheit hinter dem schlechten Ruf des Euro

Sarah Kohlberger, Weser Kurier, 7. Mai 2020

Friede, Wohlstand und Gerechtigkeit - das sollte der Euro den Mitgliedsländern eigentlich bringen. Warum das zumindest teilweise gehörig daneben ging, zeigt die detaillierte ZDFinfo-Dokumentation „Die sieben größten Irrtümer des Euro“ auf.

„Alles zu teuer. Voriges Jahr waren die Tomaten um vier Mark rum, jetzt kosten sie fast vier Euro. Das ist das Doppelte!“ - So und so ähnlich beschwerten sich zahlreiche Verbraucher, nachdem 2002 der Euro die D-Mark abgelöst hat und die Preise scheinbar in die Höhe schossen. Die Wut auf den sogenannten „Teuro“ war groß. Bis heute hat der Euro diesen Ruf inne. Doch dieser Eindruck erwies sich als falsch. Tatsächlich stiegen die Preise sogar langsamer als zu D-Mark-Zeiten. Während die Verbraucherpreise vor der Euro-Einführung um 2,2 Prozent stiegen, waren es danach nur noch 1,6 Prozent. Geht es hier also nur um eine gefühlte Wahrheit? - Eine TV-Doku geht genau dieser Frage nun auf den Grund, schließlich ist die Kritik am Euro in den vergangenen Jahren nicht leiser geworden.

„Die Statistiker bewerten die Güterkäufe mit dem Ausgabevolumen, und die Menschen bewerten sie mit der Häufigkeit der Käufe“, erklärte der Ökonom Prof. Hans-Werner Sinn. Der Anstieg der Preise bei Gütern wie Tomaten oder Bier wurde bewusst wahrgenommen und sofort verurteilt, während die Preise bei beispielsweise Kühlschränken, die nur alle paar Jahre konsumiert werden, nicht stiegen. Zeitgleich stagnierten die Gehälter. Es entstand ein Gefühl der Teuerung. „Es gab diese Preissteigerungen nicht, die behauptet werden, das ist ein Mythos“, so Sinn. Diese Entwicklung des „Teuro“ ist nur einer von mehreren Trugschlüssen, denen ZDFinfo in der Dokumentation „Die sieben größten Irrtümer des Euro“, die am Sonntag, 10. Mai, 20.15 Uhr, ausgestrahlt wird, nachgeht. Der Film zeigt anschaulich, dass es der Euro immer schwer hatte - und warum das so ist.

Gravierende Probleme statt Frieden und Gerechtigkeit

Als am 1. Januar 2002 zwölf Länder den Euro einführten, war das bis dato die größte Währungsumstellung aller Zeiten. In den Jahren danach folgten noch weitere Länder, inzwischen kann in 19 EU-Mitgliedstaaten und in sechs weiteren europäischen Staaten mit dem Euro bezahlt werden. Doch dieser einzigartige und prägnante Wechsel stellte die Länder vor große Herausforderungen. Dabei sollte der Euro doch eigentlich Gerechtigkeit, Frieden und Wohlstand für die Länder bringen und Europa mehr Macht verleihen.

Doch weit gefehlt. „Es war gut gemeint mit dem Euro, aber es hat nicht funktioniert“, betont Sinn in dem Beitrag. Es wird deutlich: Grobe Fehler gefährdeten die Gemeinschaft, schwächten den Euro und das Vertrauen in ihn. So zeigen die Wirtschafts- und Politikexperten in der Dokumentation auf, in welchen Bereichen gravierende Probleme auftraten und den Ländern zum Verhängnis wurden. Beispielsweise fehlt es der EU an einer Machtzentrale, die die Finanz- und Wirtschaftspolitik aller Länder unter einen Hut bringt.

Schummeln hilft nicht

Bereits bei der Einführung des Euro zeigte sich, wie schwierig es ist, mehrere bisher eigenständige Länder zu vereinen und Regeln aufzustellen, an die sich jeder halten sollte. Im Maastricht-Vertrag wurden Bedingungen festgelegt, die die Länder bei einem Beitritt zur Währungsunion erfüllen müssen. Griechenland aber trat dem Euro bei, obwohl es die wirtschaftlichen Kriterien nicht erfüllte. Die Mitgliedsländer schauten weg. Und die Griechen blieben beim Schummeln nicht allein: Auch Italien, Frankreich oder Deutschland griffen auf Methoden zurück, um mehr Staatseinnahmen vorzugaukeln. 2018 erfüllten elf von 19 Mitgliedsländern die Kriterien nicht.

An dieser mangelnden Währungsdisziplin und an den anderen gezeigten Fällen wird deutlich, warum der Euro einen so schlechten Ruf hat - und warum es ohne diese Fehler bei der Einführung und Umsetzung des Euro sehr viel besser laufen würde. Ein Schritt zurück kommt laut den Experten allerdings nicht infrage. „Den Euro abschaffen, ist glaube ich jetzt keine Option mehr“, so Sinn. „Denn das ist so, wie wenn Sie ein Rührei haben und wollen daraus wieder die ursprünglichen Eier herstellen.“

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