Volle Rente erst ab dem dritten Kind

Hans-Werner Sinn fordert "Kinderrente"
Interview mit Hans-Werner Sinn, Münchner Merkur, 20.02.2004, S. 5

EXPERTENSTREIT UM DIE RENTE

Hans-Werner Sinn fordert "Kinderrente"

Familienförderung über die Rente - warum das?

Sinn: Förderung ist das falsche Wort. Ich will nur ein Element der Rentenversicherung, bei dem die Beiträge der Kinder nicht sozialisiert werden, wie es bei der gesetzlichen Rente der Fall ist. Zu viele Menschen verlassen sich darauf, dass die Gesellschaft für sie im Alter schon irgendwie aufkommen wird. Früher war jedem klar, dass er Kinder braucht, um im Alter nicht zu hungern. Heute verlassen sich zu viele Menschen darauf, dass sie im Alter von den Kindern anderer Leute leben können. Unsere Rentenversicherung ist eine Vollkasko gegen Kinderlosigkeit, die nun an der von ihr hervorgebrachten Kinderlosigkeit in die Krise kommt. Wir müssen sie mit der Kinderrente ergänzen.

Was haben Sie im Auge?

Sinn: Ich will ein zweistufiges System. In die bisherige Rentenversicherung sollte man nicht immer mehr Geld stecken. Das wurde den Beitragssatz über Gebühr erhöhen und den Faktor Arbeit extrem verteuern. Das Rentenniveau wird automatisch fallen, wenn immer weniger Junge zur Finanzierung der Alten zur Verfügung stehen.

Eine Rentenkürzung.

Sinn: Ja. Also muss man etwas tun, um die Verarmung der Alten zu verhindern. Für Familien mit drei Kindern, auch adoptierten, soll es eine Kinderrente geben. Wer drei Kinder hat, bekäme eine zusätzliche Rente, die ihn zusammen mit der Altrente wieder auf heutiges Niveau hebt. Finanziert wird diese Kinderrente von allen Erwerbstätigen, auch den Beamten und Selbständigen, denn alle haben sie Eltern, und alle Eltern sind anspruchsberechtigt.

Wer weniger oder gar keine hat ...

Sinn: Der muss privat vorsorgen. Nach meinem Modell soll es eine Pflicht zur Riester-Rente geben, mit Beiträgen von etwa 6 Prozent des Einkommens.

Es sind doch gerade die Singles und Kinderlosen, die über Steuern den Staat wesentlich finanzieren.

Sinn: Kindererziehung wird zu einem Teil mit von der Allgemeinheit bezahlt, das ist richtig. Aber der Netto-Effekt für die Eltern ist noch immer deutlich negativ. Im Durchschnitt erzeugt ein Kind auf dem Wege über die Rentenversicherung mindestens 60 000 Euro mehr für die Gesellschaft, als es von der Gesellschaft in Form einer freien Schulbildung, Kindergeld und ähnlichen Vergünstigungen bekommt. Die alte Rentenversicherung wirkt deshalb wie eine massive Kinderstrafsteuer. Wir sollten diese Strafsteuer nicht erhöhen, indem wir die Beitragssätze im alten System immer weiter hochschrauben.

Das Gespräch führte Christian Deutschländer